Klaus Kada

Architekt Klaus Kada ist einer der wenigen Architekten, die Zeit ihres Lebens keinen Schwierigkeiten aus dem Weg gegangen sind, die immer auch den Konflikt gesucht und Haltung bewiesen haben.

Peter Reischer traf sich mit ihm im Herzen Wiens, neben der Albertina im Café Tirolerhof.

 

Herr Architekt, wir sitzen hier und vom Fenster aus sehen wir das historische Palais Erzherzog Albrecht, im Volksmund ‚Albertina‘ genannt, mit dem Flugdach von Architekt Hollein. Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Denkmalschutz?

Ich kann damit umgehen, würde ich sagen. Und ich habe noch nie große Probleme damit gehabt. Es ist eine Herausforderung, eine Prüfung, ob man mit seiner Idee, mit einer zeitadäquaten Architektur ein Gegenüber schafft. Vorausgesetzt, das Gegenüber hat auch Qualität. Man ist gefordert, etwas dazu zu setzen, nicht entgegen zu setzen.

 

Sie sehen Alt und Neu nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung?

Nein, es ist interessant, es ist einer der wenigen Augenblicke, wo man zeigen kann, wie gut man als Architekt wirklich ist, welche Anforderungen man an sich selber und an die Architektur stellt. Das ist nicht immer leicht und auch nicht immer sicher, aber immer eine Überprüfung der eigenen Position. 

 

Es bedeutet ja auch ein Herantasten an das, was da ist. 

Wenn man von Qualität spricht, stellt sich auch die Frage, wie groß muss der Gestus sein um sich zu behaupten. Das Behaupten gegenüber einer qualitätsvollen Architektur liegt nicht nur darin aufzufallen, darüber zu stehen, sondern in einem bescheidenen Herangehen. Man sollte auch in der Lage sein, sich zu reduzieren. 

 

Wenn Sie vom ‚bescheiden sein‘ sprechen, wie sehen Sie diesen Zwang der heutigen Architektur, Bilder zu erzeugen, sich zu repräsentieren, zu erscheinen?

Ich relativiere die Aussage auf ‚eine kraftvolle Bescheidenheit‘. Wir leben in einer Zeit der Bilder, einer Zeit der Meister. Jeder will der Erste, der Beste, der Größte, der Berühmteste sein. Das ist ein Gewürge – da kommt wenig heraus. Es stellt sich die Frage, braucht man die riesige Geste? Wenn es städtebaulich notwendig ist –  vielleicht. Welche Position nehme ich nun ein, fahre ich über das Alte darüber oder mache ich etwas Dominantes, das das Bestehende unterstützt.

 

Es gibt zwischen Bewahren und Erneuern offensichtlich einen Kompromiss?

Ja, genau! Es gehört eine Haltung dazu. Alles, was wir tun ist in einem Gesamtkontext zu sehen. Das heißt, das man der Architektur einen Teil hinzufügt, der ihr - städtebaulich gesehen - mehr Identität gibt. 

 

Ist das auch ein Bildungsproblem?

Ich habe es ja mit einem alten Bauwerk und Geschichte zu tun, man sollte wissen, wie es entstanden ist. Es haben die Fenster einen Sinn, der Putz bedeutet etwas, der Sockel hat eine Geschichte, das sind Elemente, die über Jahrhunderte entstanden sind. Über diese Dinge ist eine Übereinkunft in ökonomischer, technischer, gesellschaftlicher Hinsicht gefunden worden. Das ist ein Wert, den man als kulturell bezeichnen kann und der eine eindeutige Sprache spricht. Somit kann ich mit meiner Architektur einen Dialog herstellen.

 

In welcher Architekturauffassung würden Sie sich einordnen, in die klassische Moderne? 

Die Projekte, die ich gemacht habe, haben - rückblickend - schon mit ihr zu tun. Die klassische Moderne war die Basis für einen anderen Zugang zu neuen Wertvorstellungen, politischen Bedeutungen, Utopien. Diese neue Offenheit und Ungebundenheit war für mich ein neuer Freiraum. Natürlich bin ich immer ein Stückchen weiter gegangen. Ich bemühe mich jedes mal, etwas besser zu machen.

 

Was hat uns die klassische Moderne als Erbe aufgetragen? Hat sie das? Was sagt sie uns?

Die klassische Moderne hat sich bis zu den 1950er und 60er Jahren gehalten. Wenn ich heute die Architekturen dieser Zeit anschaue –  die sind ja fast besser als die, die heute entstehen. Die Moderne hat ein unglaubliches Potenzial an Ideen, an Aufbruch, an Formen und Strukturen. Die Moderne war wichtig für die Positionierung. Durch die Erkenntnis und Notwendigkeit, sich mit der elektronischen Datenverarbeitung in Verbindung mit der Zeit auseinanderzusetzen, verändert jetzt und in Zukunft die Raumproduktion in der Architektur. 

Das betrifft nicht nur die Architektur, sondern auch die Kunst, die Malerei und die Bildhauerei. 

 

Sie haben - laut Ihrer Homepage - eigentlich recht wenig Wohnbau gemacht. Eher mehr Kulturbauten, Bauten für bildende Kunst, Pflege und Arbeit? Drückt sich dadurch eine emotionale, persönliche Veranlagung oder Verfasstheit aus?

Ich habe immer versucht, mich mit verschiedenen Typologien auseinanderzusetzen und möglichst wenig gleiche Typen zu bauen. Es gibt eine weite Peripherie in der Architektur, und die ist eigentlich das Wichtige für das Resultat. Zum Beispiel ist die Kunst ein wichtiger Reibebaum für die Architektur.

 

Man sagt ja, die Architektur ist die umfassendste aller Künste.

Ich drehe das um und sage: Die Peripherie ist weitaus wichtiger und Architektur ein Teil davon.

 

Der Philosoph Walter Benjamin meint ja, dass durch die unbegrenzte Vervielfältigung der Werke der bildenden Kunst die Aura des Werkes verloren geht.

Ja, das stimmt schon, das ist richtig. Man kann es aber auch relativieren und daraus ein System machen, wie es Entwicklungen in der Kunst zeigen.

 

Wie stehen Sie zu den architektonischen Ausdrucksweisen und Formen, die durch den Parametrismus oder Digitalismus erzeugt werden

Ich habe dazu eine gewisse Distanz. Es gibt eine Haltung in der Architektur, die mit ‚Konstruieren‘ zu tun hat. Da ist automatisch die Verbindung ‚Kopf - Hand - Bleistift‘ gegeben. Der Computer ist dann fantastisch, wenn ich ihn als Werkzeug benutze und nicht als Entwerfer. Ich kritisiere eine Haltung der Architekten, die das Konstruieren vergessen haben und warten bis der Computer eine Lösung bringt.

 

Die sogenannte ‚Grazer Schule‘ - der Sie ja auch zugerechnet werden - hat sich eine Zeit lang auch in eine biomorphe, organische Richtung entwickelt.

Wenn Sie mich fragen – da ist vieles aus dem Bauch heraus entstanden. Und zwar auch aus einem Bemühen, traditionelle oder tradierte Aussagen zu verlassen. Es sind über Experimente komplett neue Positionen, die richtungsweisend und zukunftsorientiert waren, entstanden. 

Mein erster Ansatz war, dass die Architektur nur über die Gesellschaft entstehen kann. Daraus haben sich Wohnbauprojekte mit Partizipation entwickelt. Die damals noch vorhandene repressive Politik und die Einstellung zur Architektur in der Gesellschaft, waren für mich der Grund einen Dialog zwischen Architektur und Gesellschaft zu suchen. Basisdemokratie, Ablehnung der Gesellschaft und der repressiven Politik, all das waren Versuche, es anders zu machen. In diesen Prozessen haben wir gelernt, Dinge auseinander zu halten, zu ordnen.

 

Sie haben eine Art strukturelles Denken aus dieser Zeit mitgenommen?

Es war die Logik einer Entwicklung. Wir haben erkannt, dass wir Entscheidungen strukturieren müssen. Der Prozess den wir damals gemacht haben, war ein politischer Prozess. Architektur ohne Politik geht nicht. Ein gesellschaftlich, politisches Denken in der Architektur ist notwendig.  

 

Heute glaubt doch jeder, überall mitreden zu können. Warum überlassen die Architekten den (oft selbst ernannten) Experten aus Politik, Wirtschaft und Finanz bereitwillig, freiwillig das Feld ihrer eigenen, im Studium und Beruf erworbenen Kompetenz? 

Das ist eben die Krux! Zum einen liegt es in der Bildung, Ausbildung, Haltung und Einstellung der Architekten, zum anderen in der weit verbreiteten Ignoranz der Politik und Wirtschaft gegenüber den kulturellen Leistungen. Und dann gibt es die immer umfangreicher werdenden Normen und Regelwerke, die meist von bestimmten Interessensgruppen wirtschaftlich – politisch unterstützt werden und damit den Spielraum der Planer immer mehr einengen. Die Politiker trachten doch nur, in den nächsten fünf Jahren wieder gewählt zu werden. 

 

Wenn man Ihre Arbeiten studiert, wird die Zuschreibung ‚der Ästhet des Sparsamen‘ verständlich: Sie arbeiten stark mit Flächen, Bändern, Ebenen, Durchdringungen. Wie kommen Sie zu diesem Ausdruck?

Das sind elementare Elemente samt ihren Wirkungen. Dazu kommt noch eine Reihe anderer Aspekte wie Raum, Licht, Struktur, Funktionen, etc. und vor allem wichtige Aspekte der Wahrnehmung, optischer, akustischer, taktiler Art etc. - also raumspezifische Dinge. In der Summe also, ergibt sich ein atmosphärisches Ergebnis bei dem natürlich auch das Material wichtig ist. 

 

Ist für Sie Architektur dann eher der Körper oder die Ansicht, das Bild?

Das ist vom spezifischen Inhalt der Aufgabe abhängig. Es gibt Räume, die kann man durch ein festes Volumen, durch einen Körper ersetzen. Man kann Räume auch total auflösen, sie durch gesellschaftsrelevante Flächen ersetzen, nur ein Dach bauen. Die Entscheidung ob etwas offen, geschlossen oder überdacht ist, kann man, wenn man will, mit dem Prädikat ‚Körper, Bild und Ansicht‘ belegen. 

 

Was soll Architektur - Ihrer Ansicht nach - bewirken?

Das kommt auf den Ort an. Sie muss funktionieren und atmosphärisch etwas bewirken, in der Ausformung unserer Lebensräume alle gestaltenden und forschenden Kräfte bündeln. Sie soll anregend, aufregend, interessant, angenehm und inspirierend sein.

 

Das heißt, das ist sehr stark im ortsbezogenen Kontext zu sehen?

Ja, und es gelingt mir auch nur, wenn der Ort passt. 

 

Eine letzte Frage noch zum Thema Nachhaltigkeit. Alle versuchen mehr Gewinn aus weniger Einsatz zu generieren, das nennen sie dann Nachhaltigkeit. Es geht darum, mit Kennzahlen, Berechnungen und Berufungen auf technische Parameter das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen. 

Ich habe nichts gegen Nachhaltigkeit und ökologisches Denken. Aber der wage Begriff der Nachhaltigkeit wird meist als politisches Mascherl missbraucht, in einem System, das kapitalorientiert ist und damit ein Riesengeschäft mit sich bringt. 

 

 

CV:

Univ. Prof. Arch. DI Klaus Kada

Geb. 1940 in Leibnitz, Steiermark, von 1955 bis 1961 besuchte er die Höhere Technische Lehranstalt in Graz. Das anschließende Studium der Architektur an der TU GraZ schloss Kada 1971 mit dem Diplom ab. Nach Mitarbeit in verschiedenen Architekturbüros in Graz und Düsseldorf ab 1971 gründete er 1976 ein Architekturbüro in Leibnitz. Das Architekturbüro Klaus Kada+Gerhard Wittfeld in Aachen besteht seit 1996.

1992 wurde Kada Präsident von Europan Österreich. Von 1995 bis 2006 war er Universitätsprofessor an der Fakultät für Architektur (Entwerfen von Hochbauten und Gebäudelehre) an der RWTH AAachen. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) verlieh ihm 1996 die Ehrenmitgliedschaft. Er hatte Gastprofessuren in Bremen und München.

Seit 2002 ist er Mitglied des Architecture Academic Advisoy Commitees der Chinese University of Hong Kong.

William Knaack