Bernardo Bader

EINE SCHÖNE FASSADE IST NICHT ARCHITEKTUR
 

Äußerst knapp bemessen war die Zeit, die Architekt Bernardo Bader zur Verfügung hatte, um über seine Arbeit und die Gedanken darüber, zu sprechen. Am Telefon war es dann doch ein etwas längeres Gespräch. Peter Reischer erfuhr Interessantes und ungewöhnliche Details.

 

Herr Architekt Bader, wenn man Ihre HP studiert – an Ehrungen und Auszeichnungen mangelt es Ihnen nicht, vor allem in letzter Zeit. Hat sich dadurch Ihr Arbeitsstil geändert?

Ihr Zeitmanagement offensichtlich schon! Sie haben weniger Zeit!

Ja, das letzte Jahr, 2013, war sehr intensiv. Es ist sicher so, dass sich mein Zeitmanagement verändert hat, meine Arbeitswelt aber nicht. Das meine ich auch so, wie ich es sage. Es sitzen zwar 2-3 Leute mehr bei und im Büro, aber sonst ist im Prinzip alles beim Alten geblieben. 

 

Was bedeutet der Gewinn des Aga Khan Preises für Sie?

Der Preis ist sicher die tollste Auszeichnung, die wir bekommen haben. Dabei geht es aber nicht um die hohe Dotierung oder die internationale Bekanntheit. Mich hat der Preis schon einige Jahre lang fasziniert, und zwar, weil es dabei nicht nur um gut gemachte Architektur geht, sondern auch um Aspekte, die den Menschen und Lebensbedingungen verbessern können. Ich war bei der Verleihung vier Tage in Lissabon, dort wurde in diesem Rahmen auch ein Architekturkongress abgehalten. Diese vier Tage sind so ein unendlich großer Kontrast zu, beispielsweise, einer Bauherrnpreisverleihung in Österreich – das soll aber nicht abwertend verstanden werden. 

 

Könnte man sagen, eine ‚würdige‘ Veranstaltung?

Ja, absolut! Am vierten Tag dieses Kongresses, bei dem viele berühmte Architekten, Museumsdirektoren usw. gesprochen haben, war der letzte Redner Aga Khan. Ich habe noch selten jemanden, ohne Skript, ganz spontan, über Architektur so gut sprechen gehört. Obwohl er kein Architekt ist. Eine sehr beeindruckende Persönlichkeit, der sich absolut auskennt. Das hat mich sehr überrascht, jemanden so gut und ehrlich über Architektur sprechen zu hören. 

 

Der Aga Khan Preis ist ja ganz eindeutig mit einer Wertschätzung der muslimischen Architektur und Kultur verbunden. Was bedeutet der Friedhof in Altach für Sie persönlich? Abgesehen von der architektonischen Seite und dem Preisgewinn, im Hinblick auf Kultur und Integration gesehen?

Für mich war der Friedhof sicher mit Abstand das komplexeste Projekt in meiner Laufbahn. Von Anfang an bin ich ihm mit großem Respekt begegnet. Man braucht schon ein gutes Selbstbewusstsein als Architekt, wobei ich aber nicht einer bin, der glaubt, architektonisch alles machen zu können. Wir sind nicht spezialisiert, aber arbeiten in einem kleineren Maßstab. Bei diesem Projekt habe ich mir schon die Frage gestellt: „Kann ich das wirklich 100%ig gut machen?“ Die Erwartungshaltung war schon sehr groß. 

Ich habe eine gewisse bodenständige Herangehensweise, bin gewohnt stark zu kommunizieren, mich auf die Menschen einzulassen. Dadurch hat das sehr gut funktioniert. Es hat sechs Jahre gedauert und sehr viele Menschen haben Beiträge geleistet, nicht nur der Architekt. 

Das Projekt bedeutet mir sehr viel, ich verfolge auch die Integrationsdebatte sehr genau und in Vorarlberg auch schon sehr lange. Man spürt heute, dass dieser Friedhof das wichtigste Integrationsprojekt in Vorarlberg ist. Der erste große Baustein in die richtige Richtung. 

 

In Vorarlberg sind über 8% Muslime. Warum ist nicht schon viel früher von Architektenseite ein Zeichen der Akzeptanz gesetzt worden?

Da jetzt die Architekten in die Pflicht zu nehmen, ist schwierig. Seit ca. 15 Jahren gibt es den Boden dafür, ein Trägerverein ‚Islamischer Friedhof‘ wurde gegründet. Da hat sich auch die Kirche in einem sehr positiven Prozess mit eingebracht. Ich wünsche mir, dass die Architektenschaft in Vorarlberg generell diesem Thema sehr offen gegenübersteht. Momentan werden ja zwei Gebetshäuser gebaut - was super ist, im Vergleich zu spektakulären Moscheen. 

 

Wenn doch die Architektur etwas Verbindendes sein könnte, warum macht man dann nicht etwas? Das ist jetzt eine gesellschaftliche Frage, das geht nicht an die Architekten.

Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, Architektur soll nicht den Zweck haben, möglichst in Magazinen abgebildet zu sein. Die schönen Bilder sind maximal ein Nebeneffekt. Die Frage ist, wie man grundlegende Probleme der Menschen mit Architektur lösen oder verbessern kann. Ich sehe auch, dass die Architektur ein Spiegel unserer immer mehr sich individualisierenden Gesellschaft ist. Eine Gesellschaft, die immer mehr den kommerziellen Interessen nachläuft. 

Eine schöne Fassade ist nicht Architektur. Das sehe ich eben anders. Das versuche ich - es gelingt mir auch nicht immer - in meinen Projekten zu finden und zu verwirklichen. Beim Umbau eines alten Bauernhauses ist es z. B. die Frage, wie wir mit unserem kulturellen Erbe umgehen. Wie funktioniert Nachbarschaft? Der ästhetische und gestalterische Aspekt soll nicht immer im Vordergrund stehen. 

 

Wie gehen Sie mit den sogenannten Errungenschaften unserer modernen Zeit um – Handy, Skype, Videotelefonie, Cloud-Management, Online-Datenbanken?

Stehen Sie auf Kriegsfuß mit Ihnen?

Ich setze mich mit diesen Themen nicht so intensiv auseinander. Ich bin von nur wenigen Dingen ein vehementer Gegner, ich konzentriere meine Energie in die Arbeit und in die Familie. Das ist mir das Wichtigste. Ich verwehre mich aber nicht diesen Möglichkeiten, die machen sicher Sinn. Für mich ist es immer das Ergebnis, das zählt, egal wie man dahin kommt. 

Die Gesprächskultur ist mir sehr wichtig, auch mit meinen Mitarbeitern. 

 

Was bedeutet die Globalisierung - Ihrer Meinung nach - für die Architektur und ihre Entwicklung?

Das sehe ich zugegebenermaßen – schwierig. Ich schaue selber gerne über den Tellerrand hinaus. Manchmal kann man wirklich nicht mehr sagen, ob ein Bau in Brasilien oder in Wien steht, das ist sehr schade. 

Ich finde es nicht um jeden Preis erstrebenswert, überall, z. B. in China, bauen zu können. Mir sind die Unterschiede zwischen Vorarlberg, der Schweiz und Zagreb schon groß genug.

Die standardisierten Lösungen – das interessiert niemanden.

 

Ist angesichts der totalen Vernetzung unserer Welt nicht eine gewisse Uniformität in der Architektur zu befürchten? Dass eben Hotels, Museen, Wohnbauten, Schulen – alle einem bestimmten Raster entsprechen werden?

Diese Bedenken teile ich mit Ihnen, das glaube ich schon. Ich will nicht pessimistisch sein, aber da sehe ich große Gefahren auf uns zukommen. 

 

Weil Sie zuerst gesagt haben, Sie würden nicht unbedingt in China bauen wollen - sind das Gründe der ‚Menschenrechte‘, also eher politische oder kulturelle Unterschiede, die Sie da scheuen?

Für mich sind das eher kulturelle Gründe und auch ganz pragmatische. Ich sehe mich nicht im Flieger sitzen, sondern eher in Gesprächen mit Bauherrn und meinen Mitarbeitern.

 

Wenn man Ihre Arbeiten betrachtet, fällt die fast ausschließliche Präsenz oder Verwendung von Holz auf. Ist das eine typische Vorarlberger Eigenschaft oder sind das Sie?

Sowohl als auch. Es ist ja kein Geheimnis, dass man in Vorarlberg viel mit Holz arbeitet. Ich komme aus dem Bregenzer Wald und bin mit Holz aufgewachsen. Bei Materialentscheidungen ist mir wichtig, nicht auf momentane Moden oder Zufälligkeiten zu achten. Wir arbeiten ja nicht nur mit Holz, auch mit Beton. Aber das Material ist für mich nicht das Allerwesentlichste. Für mich sind andere Dinge vordergründig, wie beispielsweise der kontextuelle Bezug.

 

Abgesehen davon, dass Holz vielleicht der nachhaltigste Baustoff ist, warum?

Manche halten das für Weltverbesserungstum. Für mich ist die Verwendung von Holz ein schöner Beitrag zur Aufrechterhaltung unserer Handwerkskultur in Vorarlberg. Ich mache das gerne und die Menschen identifizieren sich mit Gebäuden aus Holz.

 

Von der Formensprache her ist Ihre Architektur eher konventionell. Ist das materialbedingt?

Ja, da spielen viele Faktoren mit. Da spielt das Holz genauso wie ein energetischer Aspekt mit. Ich arbeite eher körperhaft und stark von innen nach außen. Ich arbeite auch gerne mit Dächern, das finde ich ein schönes Motiv. Da muss ich auch nicht fragen, warum ist der Raum innen so gestaltet - das sehe ich schon von außen, eben die Dachform. Architektur ist gut, wenn sie von innen heraus gut funktioniert und sich einfügt. 

Man kann im Bregenzer Wald einfach nicht alles irgendwo hinbauen.

 

Das ist der Kontextbezug!

Bezüglich des Skulpturalen muss man sich ein bisschen zurücknehmen.

 

Wie wichtig sind archetypische Formen und deren Verwendung in der Architektur für Sie?

Dach? Hausform? Erkennbarkeit der Bedeutung und der Funktion, Inhalt?

Sehr wichtig! Der Typus des Bauernhauses, wie er bei uns üblich ist, der beschäftigt mich immer wieder. Ich habe auch schon versucht, ihn in ganz unterschiedlichen Varianten zu kombinieren. Es kommt für mich auch sehr stark darauf an, wo man baut. 

 

Würden Sie Ihre Architektur als ‚ehrliche Architektur‘ bezeichnen? Warum?

Wenn ich über meine Haltung spreche, dann geht es mir eher um das ‚Finden‘ als das ‘Erfinden‘. Ich finde die Dinge im alltäglichen Leben, beim Spazierengehen.

 

Das Rad muss ja auch nicht ständig neu erfunden werden!

Ja richtig. Ich kommuniziere auch, dass es mir um das ‚Finden‘ geht. Das ist mir auch bei meiner Lehrtätigkeit an der Universität wichtig. Ich sage meinen Studenten immer, sie müssten nur beobachten, genau hinsehen und erkennen, was gut und was schlecht ist. So habe ich es auch von meinen Lehrern vermittelt bekommen.

 

Wie schaffen Sie es, eine derartige Liebe und Genauigkeit bei jedem Projekt aufzubringen? 

Da muss schon eine ganz besondere Beziehung des Architekten zu seinem Auftraggeber bestehen?

Ein Projekt beginnt für mich nicht bei der Grundstücksgrenze. Gott sei Dank finden sich immer wieder Bauherrn, mit denen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Ich mag einfach gut gemachte Dinge gerne! Dauerhaftigkeit ist für mich Nachhaltigkeit. Ein Holzboden wird mit 80 Jahren erst schön.

 

Sie vermeiden die heute üblichen geschwungenen Formen und Exaltiertheiten. Wenden Sie sich gegen den Mainstream? Wie stehen Sie zu den Ausprägungen des sogenannten Parametrismus?

Ich persönlich mag das nicht. Diese Architektur hat durchaus auch ihre Berechtigung, aber meine Welt ist das nicht. 

 

Ist das Bild, die Erscheinung nicht so wichtig, wie die Architektur?

Man kann Erscheinung und Architektur nicht auseinanderdividieren. Mir ist sehr wohl wichtig, wie ein Gebäude in Erscheinung tritt. Gerade bei Holz ist es mir wichtig, mir vorzustellen, wie das Gebäude altert. Wie es in 30 Jahren ausschauen wird. Das machen viele Architekten nicht, denen ist das ‚Abfeiern‘ in der Architekturwelt wichtiger.

 

Wie wichtig ist Architektur heute für die Gesellschaft? 

Ich halte sie für extrem wichtig. Mein Gefühl ist, dass die Gesellschaft nach ‚guter‘ Architektur richtiggehend lechzt.

 

Warum wird dann so viel schlechte Architektur gebaut?

Weil das Argument des Raumbedarfs, des Wohnraumbedarfes da ist.

 

Aber man kann mit dem gleichen Geld gut oder schlecht bauen.

Die Wohnbauentwickler sind nicht bereit, ein halbwegs ordentliches Honorar zu bezahlen, die wollen schnell ihre Bewilligung haben und schnell fertig sein und verkaufen. Da geht es ums Geschäft, um den Profit. Für solche Firmen arbeiten wir auch nicht. 

 

Was kann Architektur bewirken?

Gute, menschliche Architektur zeigt der Gesellschaft immer wieder, wie es anders auch gehen könnte. Allein mit der Erhöhung des Lebensstandards werden wir nicht glücklicher werden.


 

Bernardo Bader: 1974 geboren, in Krumbach im Bregenzerwald aufgewachsen und wohnhaft, hat sein Architekturbüro 2003 in Dornbirn, Vorarlberg gegründet. Das Architekturstudium an der Technischen Universität in Innsbruck absolvierte er 2001 mit Auszeichnung. Bader ist im Gestaltungsbeirat mehrerer Gemeinden im Land, sowie Mitglied des Fachbeirats für raumrelevante Fragen des Landes Vorarlberg. 

Seit 2011 ist er als Dozent am Institut für Architektur und Raumentwicklung auf der Universität in Liechtenstein tätig. Neben zahlreichen regionalen Holzbau- und Bauherrenpreisen und dem Weissenhof Architekturförderpreis für junge Architektur 2007, erhielt Bader 2012 den Piranesi Award und wurde für den Mies van der Rohe Award 2013 und den DETAIL Preis 2012 nominiert. 2013 erhielt er den Aga Khan Award for Architecture.

William Knaack