Silvia Boday

Zwischen Meran und Innsbruck

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Silvia Boday wurde 1975 in Meran geboren, das Architekturstudium absolvierte sie 2001 an der Universität Innsbruck. Nach der Staatsprüfung in Venedig und der Zusammenarbeit mit Walter Angonese und Rainer Köberl erfolgte 2003 die Gründung des eigenen Ateliers in Innsbruck. Es folgten Lehraufträge an der Universität Innsbruck und der TU Wien.

Sie hat einen zwei Jahre alten Sohn.

architektur sprach mit ihr über die den Weg zur Architektur und ihr Selbstbild als ,Raumschaffende‘.


Frau Architektin Boday, Sie sind ein relativ unbeschriebenes Blatt hier im ‚Osten’. Woran liegt das? An der Entfernung? Oder schlechtes Marketing?

Ich bin jemand, der keine Homepage hat, es gibt eine Datenbank – Nextroom – wo ich meine Projekte eingebe. Genauso wenig gibt es eine Visitkarte von mir und ich laufe auch nicht den Zeitschriften hinterher. Es ist mehr eine Einstellungssache: Ich baue! Architektur und Raum zu ‚erfinden’, zu gestalten, das ist eine Aufgabe, die ich mir selbst gestellt habe. Hier investiere ich meine ganze Energie. Wenn Resonanz kommt – ist das super. Wenn nicht – dann ist es halt so!


Sind Sie ein eher zurückhaltender Mensch?

Ich habe noch nie gehört, dass jemand einen Auftrag bekommen hat, weil er in einer Architekturzeitschrift abgebildet war. Wenn jemand publiziert wird, muss das eine Resonanz sein, die von außen kommt. Meine Projekte müssen von außen kritisiert und betrachtet werden. Ich produziere und die anderen können darauf reagieren. 


Es ist also nicht diese 'Eigenheit' der Tiroler? Nach dem Motto: 'Mir san ondersch!'

Nein, diesen Eindruck will ich damit nicht erzeugen. Vielleicht erscheint es arrogant, das soll es aber nicht sein. Ich will mich mit dem ‚Wesentlichen’ beschäftigen. Ich weiß, welcher Aufwand dahinter steckt, professionelle PR zu betreiben. Ich hätte gar nicht die Ressourcen dazu.


Prägt sie oder besser, hat Sie das Tiroler/Südtiroler Panorama, die Umgebung, die Berge geprägt?

Ja, natürlich! Ich bin in Südtirol aufgewachsen, habe dann in Innsbruck studiert und bin hier hängen geblieben. Als junges Mädchen habe ich mir immer vorgestellt in New York zu landen. Jetzt sitze ich hier in Innsbruck!


Der Schritt in die Selbstständigkeit, in die Gründung eines eigenen Ateliers ist für jeden Architekten ein Wagnis. Warum haben Sie ihn getan?

Bei mir ist das eher ‚passiert’. Das war kein gezielter Gedanke. Ich habe während des Studiums bei Walter Angonese in Bozen gearbeitet. Drei Tage nach meinem Diplom hat Angonese mich angerufen, und gefragt ob ich mit ihm das Weingut Manicor in Kaltern machen möchte. Das war natürlich für mich als junge Absolventin der Uni der Traum schlechthin.

Während dieser Zeit habe ich sehr viele Kontakte geknüpft und Leute kennengelernt. So bin ich auch zu meinem ersten Auftrag für das Haus K in Tramin gekommen. Und damit habe ich mich selbstständig gemacht.


Haben Frauen eine bessere Kommunikation mit den Bauherrn? Warum?

A priori möchte ich das nicht behaupten. Ich als Frau glaube eine sehr gute Kommunikationsbasis mit Bauherrn zu haben, aber verallgemeinern würde ich das nicht.


Ist eine Architektin sensibler als ein Architekt? 

Auch nicht unbedingt. 


Wofür haben Sie mehr Sensibilität? 

Ich habe immer das Gefühl, ich kann in mein Gegenüber hineinschauen und für seine Bedürfnisse entwerfen. Das ist vielleicht eine Sensibilität von mir, das könnte aber ein Mann genauso.


Wie sehen Sie die Rolle oder die Stellung der Frau in der Architekturszene?

Ich habe es nie als Handicap empfunden eine Frau in der Architekturszene zu sein und habe mir auch nicht soviel Gedanken darüber gemacht. Im Gegenteil, auf der Baustelle habe ich es vielleicht sogar leichter als zum Beispiel ein junger Kollege von mir es hätte. Es ist natürlich ein Faktum, dass Frauen wesentlich weniger bauen als Männer. Woran das liegt, weiß ich nicht. 


Sollte sich da etwas ändern? Oder ist alles OK?

Jedenfalls denke ich sollte es mehr Frauenbüros geben.

 

Wie stehen Sie zu dem Problem des Einfamilienhauses? Im Sinne der Zersiedelung und der Ökologie ist es ja nicht vertretbar.

Sie sind unser tägliches Brot und vor allem der Start jeder Architektenkarriere. Punkto Nachhaltigkeit stecken die Einfamilienhäuser noch in den Kinderschuhen. Weil die Ökohäuser, Passivhäuser, Niedrigenergiehäuser etc. sind nicht das, was die Masse der Bauten ausmacht. 


Wenn Sie jetzt einen Auftrag bekämen, mitten in einem Feld zu bauen – nehmen Sie den Auftrag an?

Ja, natürlich!


Und der Rückzug der Menschen in eine ‚Burg mit Zaun rundherum’ ist aus soziologischer/sozialer Sicht auch falsch. Können wir uns das für die Zukunft überhaupt noch leisten?

Vermutlich nicht. Aber ist es nicht ein Traum, wenn wir zum Beispiel an die Villa Malaparte auf Capri denken, eingebettet in so einer wunderbaren Umgebung, einsam zu leben?


Ihr Haus K zeigt einen ganz eigenen Zugang zur Tradition, zum Bestand? 

Der Stadel, der dort früher gestanden hat, hat im Wesentlichen genauso ausgesehen. Der Sichtbeton ist auch aus psychologischen Gründen, aus Gründen des Schutzes entstanden. Hinter dieser Wand aus doppelschaligem Beton befinden sich die Schlafzimmer der Familie und ich wollte ihnen vermitteln: „Da habt ihr eure Ruhe!“, denn einen Meter daneben fahren die Lastwagen vorbei.


Welchen Wert hat die Tradition für Sie? Wie gehen Sie damit um?

Die Tradition finde ich sehr wichtig. Wir bauen aber heute 2012. Ich finde es gut, wenn man die Zeit auch an einem Bau ablesen kann. Es gibt gewisse Materialien, mit denen man heute arbeitet – und die soll man auch verwenden.


Was ist die Realität für Sie?

Es ist nicht jede gebaute Architektur Realität. Ich lebe in meiner eigenen Realität und dort gibt es nur einen kleinen Bereich, der Architektur ist. 


Was bestimmt den Entwurf bei Ihnen? Der Bauch und die Intuition oder der Kopf?

Es ist vielmehr ein Zusammenspiel. Sehr wichtig ist für mich der Ort, ich kann nicht entwerfen, ohne den Platz zu kennen. Dann spielen auch gewisse Strategien eine Rolle.


Sind Sie kompromissbereit gegenüber einem Bauherrn? 

Ja, würde ich schon sagen. Prinzipiell gehe ich auf meine Bauherrn ein, und die Bauherrn, die in meinen Häusern leben sind sehr zufrieden.


Was vermitteln Sie an die Studenten bei Ihren Lehraufträgen in Innsbruck und Wien?

Mir ist sehr wichtig, dass die Studenten die Sache ernst nehmen. Architektur lernt man nicht, Architektur ist ein Prozess, in den man hineinwächst. Es ist Respekt vor dem Raumschaffen notwendig, ich will diese seriöse Haltung dem Beruf gegenüber vermitteln. Jeder muss für sich seine eigene Sprache und das notwendige Werkzeug dazu entdecken. 


Sollen Architekten weiterhin bauen? 

Natürlich sollen sie, und vor allem nur Architekten sollen bauen. 

Mein Traum wäre, dass es wirksame Instrumente gibt, die verhindern, dass unbedacht geplante Gebäude zur Realisierung kommen.


Das heißt, es gibt auch schlechte Architektur?

Natürlich gibt es auch schlechte Architektur. 

Man kann durch gute Bauten lernen, was gute Architektur bedeutet. 


Brauchen wir noch Architektur in der Zukunft?

Ja natürlich! 


Wofür, wir haben doch ohnehin schon genug?

Guter Raum wirkt sich auf die Menschen aus. Davon kann man nie genug haben. 


Aber wir haben doch schon soviel Architektur herumstehen? Sollten wir nicht die, die schon vorhanden ist zu guter Architektur machen, statt Neue zu bauen?

Das ist ein guter Ansatz. 


Haben Sie sich, seitdem Sie ein eigenes Atelier führen, verändert?

Ja sicher!


Sind Sie härter geworden?

Es ist ein Ziel in meinem Leben, von den Rückschlägen und Enttäuschungen nicht härter, sondern erfahrener zu werden. Ich versuche an ein neues Projekt so heranzugehen, als ob ich noch nie vorher gebaut hätte.


Wie stehen Sie zur Neidgesellschaft der Architekten?

Überall wo es was zu etwas zu verteilen gibt, gibt es Neid - vermutlich ist das bei anderen Berufen genauso. 


Und zu den Wettbewerben?

Es wäre toll, wenn kein Architekt mehr bei einem Wettbewerb ohne Honorar mitmachen würde. Es gibt nur ganz wenige Berufssparten, die geistige Arbeit gratis leisten, um Aufträge zu bekommen. Das geht aber nur im Kollektiv. Da darf niemand mehr den anderen unterbieten oder unterlaufen. Das ist wahrscheinlich ein Traum, wie man ihn in der Volksschule denkt. 


Was ist Ihre Lieblingsbeschäftigung?

Bis ich Mutter geworden bin, war meine Lieblingsbeschäftigung das Gestalten. 


William Knaack